Frankreich
Leçons de Ténèbres von Marc-Antoine Charpentier und François Couperin
Cappella Francescana
Cornelia Fahrion und Jessica Jans, Sopran
Brian Franklin, Gambe
Sam Chapman, Laute
Freddie James, Orgel und Leitung
Simone Parise, Texte und Gestaltung
Eintritt frei, Kollekte
Die Abendmusik findet in Kerzenlicht in der schmucklosen Kirche statt, und die brennenden Kerzen werden eine nach der anderen gelöscht, bis die Kirche in Dunkelheit getaucht wird.
Die Klagelieder des Jeremia enthalten einige der trostlosesten Verse des Alten Testaments. Diese trauervollen Texte waren ursprünglich als Reaktion auf Nebukadnezars Belagerung Jerusalems entstanden, die 589 v. Chr. begann. Nach 30 Monaten wurde die Stadt erobert und geplündert, die Bevölkerung unterjocht, der Tempel Salomos verbrannt und die gesamte Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Jeremias Klage angesichts dieser Verwüstung war tief empfunden und es ist vielleicht nicht weiter überraschend, dass seine Verse später in den Karmetten verwendet wurden, wo sie als Sinnbild für die drei Tage der Trauer, von der Kreuzigung bis zur Auferstehung Christi, eingesetzt werden.
In Frankreich unter dem König Ludwig XIV “le Roi Soleil” im 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts erlebte das Genre der “Leçons de Ténèbres” eine regelrechte Blütezeit. Im Paris des 17. Jahrhunderts strömten in der opernlosen Fastenzeit selbst die Ungläubigen in die Kirchen um die Leçons de Ténèbres der führenden Vertreter der Französischen Hofkultur wie Charpentier und Couperin zu erleben.
Die Lecons de Ténèbres von Couperin und Charpentier stellen Jeremias bittere Qualen in einzigartiger Weise musikalisch dar. Durch die dissonanzenreiche, vorausschauende harmonische Sprache wird ein erheblicher Spannungsbogen hergestellt, der die emotional aufgeladene Atmosphäre noch ergänzt. Ausserdem halten sich Couperin und Charpentier an die Tradition, das eröffnende Incipit als Cantus-planus-Formel, wenn auch stark ornamentiert, zu komponieren, und die Buchstaben des hebräischen Alphabets (Aleph, Beth, Gimel etc.), mit denen der Text durchsetzt ist, melismatisch zu setzen.
Die Lecons enden in derselben, Einheitlichkeit stiftenden Weise, nämlich mit Jeremias Arioso-Ruf an die Einwohner der Heiligen Stadt: „Jerusalem, convertere ad Dominum Deum tuum“ („Jerusalem, kehr um zum Herrn, deinem Gott“). Diese drei bemerkenswerten, fesselnden Werke besitzen eine Intensität und Kraft, die sich in geistlicher barocker Kammermusik nur sehr selten findet.